CFW Stiftung

Wissenschaftlicher Nachlass

Das Bild in der Kopfzeile dieser Seite zeigt:
Links: In der Geschäftsstelle der Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung (Enger), Mitte: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft (MPGA; Berlin); Rechts: Bibliothek der Udo Keller Stiftung Forum Humanum (Neversdorf)


Vertrag über die Sicherung und Nutzung des wissenschaftlichen Nachlasses und Werkes von Carl Friedrich von Weizsäcker

 

Grußwort

Übergabe der Carl Friedrich von Weizsäcker-Bibliothek als Dauerleihgabe an die Udo Keller Stiftung Forum Humanum am 12. August 2008 in Neversdorf durch die Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung, vertreten durch den Vorsitzenden des Vorstands, Dr. Bruno Redeker

Lieber Herr Keller, Frau Keller, liebe Familie v. Weizsäcker, verehrte Gäste!

Grußworte in dritter Linie, die über Wiederholungen hinausgehen sollen, sind immer etwas schwierig. Darum werde ich gleich versuchen, einige wenige, aber, wie ich meine, wesentliche Stationen des Weges zu dieser Stunde zu skizzieren.

Bevor ich damit beginne, möchte ich aber doch zuerst und zunächst Ihnen, lieber Herr Keller, und dem Vorstand Ihrer Stiftung, noch einmal herzlich für diese würdige Heimstatt der Bibliothek Carl Friedrich von Weizsäckers danken. Diesen Dank spreche im Namen des Stiftungsrates und des Vorstands der Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung aus. Aber es ist, wie ich im folgenden vielleicht wenigstens andeuten kann, auch ein persönlicher Dank, der mit Ihnen nicht zuletzt auch dem Vorstand Ihrer Stiftung insgesamt gilt und insbesondere Herrn Thiel.

Am Anfang …, am Anfang war ein Wort, …ein Wort Carl Friedrich von Weizsäckers über den Mythos des Galilei. Ich zitiere: „Die neuzeitliche Naturwissenschaft hat ihren eigenen historischen Mythos. Es ist der Mythos von Galilei: Dieser Mythos versichert, man habe im dunklen Mittelalter die Spekulationen des Aristoteles hochgeschätzt, die sich um Beobachtungen nicht kümmerten, aber Galilei habe der Wissenschaft die Bahn gebrochen, indem er die Welt so beschrieb, wie wir sie wirklich erfahren. Wie jeder Mythos drückt auch dieser ein Stückchen Wahrheit aus; sicher hat er recht mit der hohen Schätzung Galileis. Aber ich (Carl Friedrich v. Weizsäcker) glaube, er entstellt vollkommen die Natur von Galileis wahrer Leistung. Ich wäre bereit, diese Leistung zu charakterisieren, indem ich in jedem Punkt genau das Gegenteil des Mythos ausspräche.“ Carl Friedrich von Weizsäcker ist dazu nicht lediglich bereit und fährt fort: „Daher sage ich: Das späte Mittelalter war in keiner Weise ein dunkles Zeitalter; es war eine Zeit hoher Kultur, von gedanklicher Energie sprühend. …“ Ich breche hier ab. Sie können seine Erwiderung auf den Mythos von Galilei Punkt für Punkt in „Die Tragweite der Wissenschaft“ nachlesen, genauer in der sechsten Vorlesung des ersten Bandes.

Mir ist diese Passage Jahre bevor ich Carl Friedrich von Weizsäcker persönlich kennenlernte begegnet – 20 Jahre früher in etwa. Für mich bedeutete sie eine Umkehrung gegenüber allem, was ich dazu bis dahin gelernt und geglaubt hatte. Wenn Sie so wollen, verkörperte ich geradezu den historischen Mythos von Galilei. Diese Umkehrung war es, die dann meine wissenschaftliche Arbeit trug, und diese Umkehrung ist es, die bis heute meine Arbeit für die Carl Friedrich von Weizsäcker-Gesellschaft und die Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung trägt.

Persönlich begegnete ich Carl Friedrich v. Weizsäcker dann in Bielefeld, im Februar 1993. Damals hatte ich ihn zum Autorenkolloquium in das ZiF der Universität eingeladen und zum Physikalischen Kolloquium der Fakultät, zu einem Vortrag „Zur Platonischen Tradition der neuzeitlichen Physik am Beispiel der Quantentheorie" – und über 2.000 waren gekommen (1400 hatten im Audi Max Platz).

Und die Passage trägt – mit der persönlichen Begegnung – noch ein weiteres Wort, bis heute, und das ist mein Wort: „Ich kann nichts versprechen, aber ich werde mein möglichstes tun“. Dieses Wort wurde in einem Gespräch mit Professor Görnitz während eines Spaziergangs auf dem Kamm des Teutoburger Waldes „geboren“, oberhalb des Zentrums für interdisziplinäre Forschung, des ZiF – ein Gespräch, in dem die Idee eines „Vereins zur Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung“ erste Konturen gewann.

Zweite Begegnung mit Carl Friedrich von Weizsäcker, auf der Alm in Prägraden. Zustimmende Aufnahme der Idee, dann viele Briefe, Reisen und Gespräche. Am Ende stand ein weiterer Anfang: Die programmatischen Oberzeile „Wissen und Verantwortung“ und18 Gründungsmitglieder. Heute zählt „Wissen und Verantwortung“ nahezu 300 Mitglieder, entwickelt Projekte zur Zukunft der Arbeit beispielsweise, der Aufklärung, der Bildung und Politik und organisiert Tagungen nicht allein in der Bundesrepublik, sondern darüber hinaus auch im internationalen Rahmen: Wien, Warschau und demnächst Rom – in der Gregoriana. Die Unterzeile lautet heute auch nicht mehr „Verein zur Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung“ sondern „Carl Friedrich von Weizsäcker-Gesellschaft“. Und das, weil das Projekt, das der Verein ausdrücklich in seinen Namen aufgenommen hatte, am 90. Geburtstag Carl Friedrich v. Weizsäckers verwirklicht werden konnte – genauer: begonnen werden konnte.

Das wiederum ist der Begegnung mit Herrn Thiel und Herrn Keller verbunden, daß Herr Keller sein Wort gab, im Sinne der Satzung seiner Stiftung, „andere steuerbegünstigte Körperschaften zur Verwirklichung deren privilegierter Zwecke“ zu unterstützen, und ganz im Geiste der Präambel seiner Stiftung, im „Akt des Spendens und Schenkens zeigt sich die Autonomie des Individuums in ihrer reinsten und schönsten Form: Die freiwillige Geste ist durch die Einsicht oder das Gefühl inspiriert, dass wir nicht nur dem Nächsten, sondern auch der menschlichen Gemeinschaft mehr schulden als das Unterlassen schädigenden Handelns.“

Wenn es eine Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung geben würde, dann sollte nach dem Willen v. Weizsäckers sein wissenschaftlicher Nachlaß mit den Rechten zur Nutzung und Verwertung in umfassender Weise auf sie übergehen, einschließlich der Bibliothek und der Teile in Kopie, die heute bereits im Archiv der Max Planck Gesellschaft in Berlin untergebracht sind. Die Bedingung: Die Stiftung mußte noch 2002 errichtet sein. Die Genehmigungsurkunde des „Stiftungsgeschäftes“ hält das besondere Datum fest: den 90. Geburtstag v. Weizsäckers, den 28. Juni 2002. Hier habe ich Herrn Keller für seine persönliche Unterstützung zu danken. Und es war wiederum seine Stiftung, die der Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung gleichsam im Zuge der Genehmigung auch die erste namhafte Summe zustiftete.

Der Wille Carl Friedrich von Weizsäckers fand seine schriftliche Fassung in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit seinem Sohn Ernst Ulrich v. Weizsäcker und mit Herrn Thiel. Diese Zusammenarbeit war bestimmt durch das Bestreben, Werk und wissenschaftlichen Nachlaß Carl Friedrich von Weizsäckers zu sichern, zu erhalten und der Öffentlichkeit wie der Forschung zugänglich und nutzbar zu machen. Dies Bestreben ist im ersten Punkt der Verträge und Vereinbarungen ausdrücklich formuliert, die die Familie von Weizsäcker, die Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung, die Udo Keller Stiftung Forum Humanum und das Archiv der Max-Planck-Gesellschaft nach dem Heimgang Carl Friedrich von Weizsäckers miteinander geschlossen haben. Zum Ausdruck aber kam dies Bestreben schon in dem früheren Angebot der Udo Keller Stiftung, die Arbeitsbibliothek in ihrem Hause aufzunehmen und zu betreuen.

Lieber Herr Keller, dieses Angebot haben Vorstand und Stiftungsrat der Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung gerne aufgenommen – und mehr: Ich darf und möchte nunmehr im Namen von Vorstand und Stiftungsrat die Bibliothek auch offiziell als Dauerleihgabe in die Obhut Ihrer Stiftung übergeben, in die Obhut der Udo Keller Stiftung Forum Humanum.

Ich danke Ihnen – auch für Ihre Geduld, mit der Sie mir zugehört haben.