CFW Stiftung

Erläuterungen

Erläuterungen zum Gesetzentwurf

a) Allgemeiner Teil

Der Gesetzesvorschlag regelt die Lösung kollektiver Arbeitskonflikte im Bereich der Daseinsvorsorge. Diese Materie wird in einem eigenen Gesetz geregelt. Die Anbindung an bestehende Gesetze, etwas das Bürgerliche Gesetzbuch oder das Tarifvertragsgesetz, ist nicht sachgerecht, weil in diesen Gesetzen spezifische arbeitskampfrechtliche Regelungen nicht enthalten sind. Außerdem gibt es kein umfassendes Gesetz zur Regulierung des Bereichs der Daseinsvorsorge, in welches die vorliegenden Regelungen hätten eingestellt werden können.

Arbeitskämpfe im Bereich der Daseinsvorsorge unterscheiden sich gegenüber Arbeitskämpfen in anderen Wirtschaftszweigen erheblich. Im Bereich der Daseinsvorsorge stehen sich typischerweise nicht nur die Arbeitskampfparteien auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gegenüber, um eine Auseinandersetzung über die Durchsetzung von Tarifverträgen einer Lösung zuzuführen. Vielmehr sind Dritte, insbesondere die Allgemeinheit und die die Leistungen der Daseinsvorsorge nachsuchenden Bürger, unmittelbar von derartigen Arbeitskämpfen nachteilig betroffen. Ferner steht der Arbeitgeberseite aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen das arbeitskampfrechtliche Instrument zur Abwehr eines Streiks, die Aussperrung, typischerweise nicht oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Im Bereich der Daseinsvorsorge sind die Unternehmen gehalten, die Leistungen im Interesse der Bürger und der Allgemeinheit soweit wie möglich aufrechtzuerhalten. Diese Besonderheiten rechtfertigen es, für die Lösung kollektiver Arbeitskonflikte und Tarifauseinandersetzungen Sonderregelungen vorzusehen, welche in anderen Wirtschaftszweigen nicht notwendigerweise gelten müssen. Der Gesetzesvorschlag regelt den fraglichen Sachbereich nicht umfassend. Vielmehr sind daneben weiterhin die allgemeinen Grundsätze des Arbeitskampfrechts anwendbar, wie sie insbesondere die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelt hat.

Die einzelnen inhaltlichen Elemente des Gesetzesvorschlags knüpfen an die Besonderheiten von Arbeitskämpfen im Bereich der Daseinsvorsorge an. Die Pflicht der Arbeitskampfparteien, eine Arbeitskampfmaßnahme rechtzeitig anzukündigen (§ 3), soll die jeweils andere Arbeitskampfpartei und die Öffentlichkeit in die Lage versetzen, sich auf den Ausfall von Leistungen vorzubereiten und sich gegebenenfalls um Alternativen zu bemühen. Die Pflicht der Arbeitskampfparteien, eine Grundversorgung aufrechtzuerhalten (§ 4), ist dem Umstand geschuldet, dass manche Leistungen in der Daseinsvorsorge für eine funktionierende Infrastruktur einer Volkswirtschaft schlechthin unverzichtbar sind und daher während eines Arbeitskampfs zur Verfügung stehen müssen. Das gesetzliche Erfordernis einer Urabstimmung für Arbeitskampfmaßnahmen (§ 5) sichert die notwendige Legitimation der Arbeitsniederlegung nach innen mit Wirkung im arbeitskampfrechtlichen Außenverhältnis. Das vorgeschaltete Schlichtungsverfahren (§ 6) trägt in besonderer Weise dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Dieser ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts tragender Grundsatz des geltenden richterrechtlichen Arbeitskampfrechts. Ferner enthält der Entwurf eine Regelung für Streiks von Berufsgruppengewerkschaften (§ 7), welche im Bereich der Daseinsvorsorge besonders häufig anzutreffen sind.

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG.

b) Besonderer Teil 

Zu § 1 (Gesetzeszweck)

Die Vorschrift regelt den Zweck des Gesetzes. Der Gesetzesvorschlag soll zur Lösung kollektiver Arbeitskonflikte in der Daseinsvorsorge beitragen.

Absatz 2 stellt klar, dass sich der Gesetzesvorschlag auf Auseinandersetzungen um die Durchsetzung des Abschlusses bzw. die Abwendung von Tarifverträgen beschränkt. Andere kollektive Arbeitskonflikte – etwa im Bereich der Betriebsverfassung – werden nicht erfasst.

Absatz 3 stellt klar, dass der Gesetzesvorschlag den fraglichen Sachbereich nicht umfassend regelt und die geltenden Rechtsgrundsätze des Arbeitskampfrechts und Rechtsvorschriften des übrigen kollektiven Arbeitsrechts weiterhin Geltung beanspruchen. Der Gesetzesvorschlag modifiziert diese Rechtsgrundsätze und Rechtsvorschriften, soweit er Regelungen enthält.

Zu § 2 (Geltungsbereich)

Die Vorschrift umschreibt den Geltungsbereich der Daseinsvorsorge für die Zwecke der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung abschließend. Dazu gehören die Bereiche medizinische und pflegerische Versorgung; Versorgung mit Energie und Wasser; Feuerwehr, Bestattung, Abfallbeseitigung; Landesverteidigung und innere Sicherheit; Verkehr; das Erziehungswesen und die Kinderbetreuung; die Kommunikationsinfrastruktur sowie Bankdienstleistungen, soweit sie für die Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs und die Versorgung mit Bargeld unentbehrlich sind.

Zu § 3 (Ankündigungspflicht)

Die Vorschrift verpflichtet die Arbeitskampfparteien, eine Arbeitskampfmaßnahme rechtzeitig gegenüber der anderen Kampfpartei anzukündigen und die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Die Ankündigungspflicht soll die andere Arbeitskampfpartei und die Öffentlichkeit in die Lage versetzen, sich auf den Ausfall von Leistungen vorzubereiten und sich gegebenenfalls um Alternativen zu bemühen. Als Vorankündigungszeit angemessen erscheinen hierbei vier Tage. In diesem Zeitraum können die Betroffenen typischerweise Abhilfemaßnahmen organisieren. Dabei müssen der Ort, der Beginn und die Dauer der Arbeitskampfmaßnahme mitgeteilt werden. Ferner ist die Arbeitskampfpartei verpflichtet, die Öffentlichkeit in geeigneter Weise über dieselben Umstände zu informieren, etwa durch Veröffentlichung des Streikbeschlusses auf der Homepage der Gewerkschaft im Internet, Pressemitteilungen oder dergleichen. Eine Arbeitskampfmaßnahme, die unter Verstoß gegen die Vorgaben dieser Vorschrift durchgeführt wird, ist rechtswidrig.

Zu § 4 (Aufrechterhaltung einer Grundversorgung)

Zu Absatz 1

Die Vorschrift verpflichtet die Arbeitskampfparteien, eine Grundversorgung aufrechtzuerhalten, welche die elementaren persönlichen, sozialen und öffentlichen Bedürfnisse auch im Falle eines Arbeitskampfes befriedigt. Die hierfür erforderlichen Arbeitnehmer sind von Arbeitskampfmaßnahmen auszunehmen.

Zu Absatz 2

Die Definition und den Umfang der Grundversorgung bestimmen in erster Linie die Arbeitskampfparteien in eigener Verantwortung einvernehmlich. Dies schließt Verfahrensregelungen bei Nichteinigung durch die Arbeitskampfparteien ein. Damit sind § 4 Abs. 2 bis 4 des Gesetzes der Sache nach dispositiv und können durch abweichende Vereinbarungen der Arbeitskampfparteien verdrängt werden. Dies trägt dem Grundsatz der Subsidiarität Rechnung und schont in besonderer Weise die Tarifautonomie der beteiligten Arbeitskampfparteien. Falls sich die Arbeitskampfparteien nicht über den Umfang der Grundversorgung einig werden können, entscheidet eine Einigungsstelle darüber verbindlich. Damit wird bezüglich des Umfangs der Grundversorgung eine staatliche Zwangsschlichtung etabliert. Regelungsvorbild ist hierbei wirtschaftsfriedliche Konfliktlösung im Bereich der Betriebsverfassung durch eine Einigungsstelle. Jede Arbeitskampfpartei kann die Einigungsstelle jederzeit anrufen.

Zu Absatz 3

Die Vorschrift regelt die Besetzung der Einigungsstelle, die über den Umfang der Grundversorgung zu entscheiden hat. Die Vorschrift ist an § 76 Abs. 2 BetrVG angelehnt. Die Einigungsstelle besteht aus der gleichen Anzahl von Beisitzern, die von den Arbeitskampfparteien auf Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf den sich beide Seiten einigen müssen. Scheitert eine Einigung über die Person des Vorsitzenden, bestellt ihn das Landesarbeitsgericht, in dessen Bezirk der Arbeitskampf stattfindet. Findet der Arbeitskampf in mehreren Landesarbeitsgerichtsbezirken statt, entscheidet das Bundesarbeitsgericht.

Die Zuständigkeit von Landesarbeitsgericht bzw. Bundesarbeitsgericht abweichend von § 76 Abs. 2 BetrVG ist dem Umstand geschuldet, dass es sich bei den hier vorliegenden Konflikten zumeist um Angelegenheiten allgemeiner Bedeutung handelt, für welche die auf den einzelnen Betrieb bzw. das Unternehmen bezogenen Zuständigkeitsregelungen des BetrVG nicht angemessen erscheinen. Um eine zügige Behandlung des Konflikts zu gewährleisten, entscheiden die zuständigen Spruchkörper nur in der Besetzung der Berufsrichter ohne die ehrenamtlichen Richter.

Die Verweisung auf § 98 Abs. 1 S. 3 bis 6 ArbGG stellt klar, dass die Vorschriften des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens nach §§ 80 bis 84 ArbGG sowie die Verfahrensvorschriften über die Entscheidung zur Besetzung einer betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstelle entsprechend gelten. Dasselbe Verfahren soll Anwendung finden, wenn sich die Arbeitskampfparteien nicht auf die Anzahl der Beisitzer der Einigungsstelle einigen können. Dies entspricht § 76 Abs. 2 Satz 3 BetrVG.

Zu Absatz 4

Die Vorschrift regelt das Verfahren der Meinungsbildung und Beschlussfassung innerhalb der Einigungsstelle. Regelungsvorbild ist insoweit § 76 Abs. 3 und 5 BetrVG. Danach muss die Einigungsstelle unverzüglich tätig werden. Die Beschlüsse werden mit der Mehrheit der Mitglieder nach mündlicher Beratung gefasst. Bei der Beschlussfassung hat sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten; kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, nimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung an der erneuten Beschlussfassung teil. Die Beschlüsse der Einigungsstelle sind schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und den Arbeitskampfparteien zuzuleiten. Die Einigungsstelle ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit der Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden anwesend ist. Damit ist sichergestellt, dass keine Seite die Verhandlungen und die Beschlussfassung durch eine Politik des „leeren Stuhls“ blockieren kann. Die Beschlüsse der Einigungsstelle verlieren ihre Wirkung mit Abschluss des angestrebten Tarifvertrags. Dies begrenzt die Regelungsbefugnisse der Einigungsstelle auf den konkreten Tarifkonflikt.

Zu Absatz 5

Die Vorschrift stellt klar, dass eine Arbeitskampfmaßnahme nur zulässig ist, wenn zuvor über den Umfang der Grundversorgung Einigkeit zwischen den Arbeitskampfparteien erzielt wurde oder ein Beschluss der Einigungsstelle über den Umfang der Grundversorgung vorliegt. Eine ohne diese Erfordernisse durchgeführte Arbeitskampfmaßnahme ist rechtswidrig. Vor diesem Hintergrund kann es zweckmäßig sein, wenn sich die Tarifvertragsparteien bereits im Vorfeld außerhalb eines konkreten Arbeitskampfgeschehens auf den Umfang der aufrechtzuerhaltenden Grundversorgung einigen.

Zu § 5 (Urabstimmung)

Zu Absatz 1

Die Vorschrift knüpft die Zulässigkeit einer gewerkschaftlichen Arbeitskampfmaßnahme an die vorherige Durchführung einer Urabstimmung. Daran muss mindestens die Hälfte der von dem erstrebten Tarifvertrag betroffenen Mitglieder der Gewerkschaft teilnehmen. Außerdem muss die Mehrheit der teilnehmenden abstimmungsberechtigten Gewerkschaftsmitglieder die gewerkschaftliche Arbeitkampfmaßnahme unterstützen. Es gilt mithin ein doppeltes Quorum: mehr als 50% Beteiligung und mehr als 50% Zustimmung.

Das Erfordernis einer Urabstimmung als Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung einer gewerkschaftlichen Arbeitsniederlegung geht über das derzeit geltende allgemeine Arbeitskampfrecht hinaus. Allerdings wird hierdurch in die Tarifautonomie der beteiligten Gewerkschaften nicht erheblich eingegriffen. Die meisten Gewerkschaften sehen ein derartiges Urabstimmungserfordernis in ihren Satzungen mit zum Teil erheblich höheren Quoren ohnehin vor – zumeist 50% Beteiligung und 75% Zustimmung. Außerdem sollte ein Streik in der Daseinsvorsorge mit erheblichen Auswirkungen auf Dritte nur dann zulässig sein, wenn er auch nach innen hinreichend legitimiert ist und von den betroffenen Mitgliedern der Gewerkschaft mehrheitlich mitgetragen wird.

Zu Absatz 2

Die Vorschrift schreibt einige relevante Abstimmungsgrundsätze vor, die Grundsätze der unmittelbaren, freien und geheimen Wahl. Diese Grundsätze sind elementar für die Legitimation des Abstimmungsergebnisses und daher unverzichtbar. Die Gewerkschaft muss darüber hinaus das Ergebnis der Urabstimmung dem Arbeitskampfgegner und der Öffentlichkeit in geeigneter Weise mitteilen.

Zu Absatz 3

Die Einzelheiten der Durchführung der Urabstimmung werden der Regelung in der Satzung der Gewerkschaft überlassen. Dies schont die Verbandsautonomie der Gewerkschaft. Die Satzung muss die wesentlichen Abstimmungsgrundsätze vorgeben und kann im Übrigen den Vorstand oder andere Verbandsgremien ermächtigen, weitere Einzelheiten des Verfahrens durch Beschluss festzulegen. Nach Satz 2 der Vorschrift sind die in Absatz 1 festgelegten Quoren als Mindestquoren anzusehen, die durch die Satzung überschritten werden können.

Zu Absatz 4

Die Vorschrift stellt sicher, dass das Urabstimmungserfordernis ebenso für Arbeitskampfmaßnahmen der Arbeitgeberseite gilt. Dies ist dem Grundsatz der Kampfparität geschuldet. Der Autonomie der Arbeitgeberverbände bleibt es überlassen, die Stimmen nicht nach der Anzahl der Mitglieder, sondern nach deren wirtschaftlicher Bedeutung zu gewichten.

Zu § 6 (Schlichtung)

Zu Absatz 1

Nach dieser Vorschrift ist eine Arbeitskampfmaßnahme unzulässig, die auf eine tarifvertragliche Regelung zielt, welche Gegenstand eines laufenden Schlichtungsverfahrens ist. Während des Schlichtungsverfahrens besteht somit eine relative Friedenspflicht. Die Vorschrift trägt damit dem arbeitskampfrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderer Weise Rechnung. Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinem Beschluss vom 21. April 1971 – GS 1/68 – betont, dass der Arbeitskampf letztes Mittel (ultima-ratio) sein muss und daraus auch das Erfordernis eines vorgeschalteten Schlichtungsverfahrens abgeleitet (BAG GS 21. April 1971 – GS 1/68 – AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, Teil III, A 3, Bl. 7). In Übereinstimmung mit diesem Beschluss des Großen Senats bestimmt die Vorschrift ferner, dass es in erster Linie den Tarifvertragsparteien obliegt, angemessene Regelungen über Einzelheiten des Schlichtungsverfahrens zu treffen. Diese haben Vorrang vor den Regelungen des Gesetzes über die staatliche Schlichtung nach Absätzen 3 bis 7.

Zu Absatz 2

Die Vorschrift stellt klar, dass ein zwischen den Arbeitskampf-/Tarifvertragsparteien vereinbartes Schlichtungsverfahren Vorrang hat vor den Regelungen über die staatliche Schlichtung nach den Absätzen 3 bis 7. Dies schont die Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien und trägt dem Grundsatz der Subsidiarität staatlicher Regulierung im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts Rechnung. Die Vereinbarung der Tarifvertrags-/Arbeitskampfparteien muss inhaltliche Vorgaben für das Schlichtungsverfahren aufstellen.

Zu Absatz 3

Die Vorschrift stellt klar, dass jede Arbeitskampfpartei das staatliche Schlichtungsverfahren einleiten kann und dieses Schlichtungsverfahren damit nur auf Antrag stattfindet. Für eine Arbeitskampfpartei, die in den Genuss der Friedenspflicht nach Absatz 1 gelangen möchte, ist daher die Einleitung des Schlichtungsverfahrens unabdingbar.

Voraussetzung für die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens ist, dass die Tarifvertragsverhandlungen gescheitert sind. Jede Tarifvertragspartei kann diese Voraussetzung autonom feststellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterliegt dies der Einschätzungsprärogative der jeweiligen Tarifvertragspartei. Aus dieser Regelung folgt ferner, dass der Vorrang der Schlichtung dann nicht gilt, wenn die Tarifvertragsparteien überhaupt keine Tarifvertragsverhandlungen geführt haben. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Gewerkschaft einen Tarifvertrag abschließen möchte, die Arbeitgeberseite hierzu aber unter keinen Umständen bereit ist. In einem solchen Fall wäre es der Gewerkschaft nicht zumutbar, noch ein Schlichtungsverfahren zu durchlaufen, obwohl doch die Arbeitgeberseite überhaupt nicht verhandeln möchte; eine Schlichtung wäre bloße Förmelei. In solchen Fällen soll die Gewerkschaft unmittelbar zur Arbeitsniederlegung aufrufen können, sofern die übrigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen eines Streiks vorliegen.

Zu Absatz 4

Die Vorschrift regelt die organisatorische Anbindung des Schlichtungsverfahrens beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die dort errichtete Bundesschlichtungsstelle wird von einem Schlichter geleitet, der im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss nach § 5 Abs. 1 TVG vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für eine Amtszeit von vier Jahren bestellt wird. Mit der Beteiligung des Tarifausschusses können die Spitzenorganisationen der Sozialpartner auf die Person des Schlichters Einfluss nehmen. Gleichzeitig wird damit der Bedeutung des Schlichtungsverfahrens Rechnung getragen.

Zu Absatz 5

Die Vorschrift regelt die Besetzung der Beisitzer der Bundesschlichtungsstelle. Die Anzahl der Beisitzer ist auf jeweils eine Person für Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite begrenzt. Damit besteht die Schlichtungsstelle nur aus drei Mitgliedern. Dies soll zu einem konzentrierten Schlichtungsverfahren beitragen. Stehen mehrere Arbeitskampfparteien auf einer Seite des Arbeitskampfes, müssen sie sich auf die Person des Beisitzers einigen.

Die Verweisung auf die für den Hauptausschuss nach dem MiArbG geltenden § 2 Abs. 4 und 5 MiArbG erklärt Vorschriften über die Rechtsstellung der Mitglieder der Bundesschlichtungsstelle sowie Regelungen über Beschlussfähigkeit und Vertretung für entsprechend anwendbar. Insbesondere ist damit die Tätigkeit der Schlichter ehrenamtlich und weisungsfrei.

Zu Absatz 6

Die Vorschrift regelt das interne Verfahren der Bundesschlichtungsstelle. Die Regelungen stellen sicher, dass das Schlichtungsverfahren spätestens nach etwa sechs bis acht Wochen abgeschlossen ist. So hat die Schlichtungsstelle ihre Tätigkeit unverzüglich aufzunehmen. Innerhalb von vier Wochen nach ihrem Zusammentreten muss die Bundesschlichtungsstelle einen Schlichtungsvorschlag formulieren, der wie alle Beschlüsse mit der Mehrheit der Stimmen beschlossen sein muss. Der Schlichtungsvorschlag ist vom Vorsitzenden zu unterschreiben und den Arbeitskampfparteien zuzuleiten. Nehmen die Arbeitskampfparteien den Schlichtungsvorschlag innerhalb von zwei Wochen durch schriftliche Zustimmungserklärung gegenüber der Bundesschlichtungsstelle an, gilt er als zwischen den Arbeitskampfparteien zustandegekommener formwirksamer Tarifvertrag. Dies stellt klar, dass die obligatorische Schlichtung nach § 6 grundsätzlich nicht als Zwangsschlichtung ausgestaltet ist. Die Arbeitskampfparteien bleiben also frei in ihrer Entscheidung, das Schlichtungsergebnis als Tarifvertrag für und gegen sich gelten zu lassen