CFW Stiftung

Das Arbeitskampfrecht Italiens

Auch im italienischen Recht findet sich der Dreiklang von Notdienstarbeiten, Ankündigungsfrist und obligatorischem Schlichtungsverfahren für den
Arbeitskampf in Unternehmen der Daseinsvorsorge. Professor Gegor Thüsing, Bonn, vergleicht das italienische Streikrecht in seinem Aufbau mit dem deutschen Pendant.

Tolerante Justiz


Art. 40 der italienischen Verfassung garantiert das Streikrecht ausdrücklich, gibt dem Gesetzgeber jedoch die Befugnis es näher zu regeln.
Wie in Deutschland erfolgte die Ausgestaltung dann doch weitgehend durch Richterrecht, da sich der Gesetzgeber nur sporadisch und für enge Teilbereiche des Streikrechts angenommen hat.

Die Gerichte gingen einen großzügigen Weg: Erlaubt ist der nichtgewerkschaftliche, "wilde" Streik, und ebenso zulässig ist der politische Streik oder die Arbeitsniederlegung zur Durchsetzung eines Rechtsanspruchs -Undenkbarkeiten für das deutsche Arbeitskampfrecht. Dementsprechend geht die herrschende Meinung auch davon aus, dass Streikende keine Ankündigungs-oder Verhandlungspflicht trifft. Der Arbeitnehmer ist auch während der Geltung eines Tarifvertrags nicht an die allein die Gewerkschaften bindende Friedenspflicht gebunden.

Gesetzgeber schafft Spielregeln


Diese Entwicklung führte dazu, dass insbesondere im Bereich des öffentlichen Dienstes seit Mitte der 70er Jahre immer wieder heftige Streikwellen zu verzeichnen waren, die vor allem Eisenbahn, Zoll, den Fährverkehr mit den Inseln, die medizinischen Versorgungseinrichtungen und die Müllabfuhr betrafen, während im gleichen Zeitraum die Zahl der Arbeitskonflikte in der gewerblichen Wirtschaft deutlich zurückging. Typisch für diese Entwicklung waren die Streiks im Transportwesen und insbesondere im Luftfahrtbereich, die in der zweiten Hälfte des Jahres 1988 zu chaotischen Zuständen führten.

So verursachte zum Beispiel ein Streik der Piloten im Dezember 1988 den Ausfall von 75% der planmäßigen Flüge. Der Gesetzgeber erkannte, welch unbefriedigende Folgen sein Unterlassen hatte, und handelte entsprechend: Mit dem Gesetz Nr. 146 vom 12.6.1990 erließ der italienische Gesetzgeber eine
Streikrechtsregelung für den Bereich der sogenannten "servici pubblici essenziali" ("besonders wichtige" oder "wesentliche" öffentliche Dienste).
Zweck des Gesetzes ist gemäß Art. 2 II iVm Art. 1 der Schutz der verfassungsmäßigen Persönlichkeitsrechte auf Leben, Gesundheit, Freiheit und Sicherheit, Bewegungsfreiheit, soziale Beihilfe und Fürsorge, sowie auf Bildungs-und Kommunikationsfreiheit. Zu den wesentlich öffentlichen Diensten, die der Verwirklichung dieser Ziele dienen, zählt Art. 1 II des Gesetzes auch den Bereich des öffentlichen Transportwesens, d.h. den Busverkehr, Eisenbahn, Luftverkehr und Fährverkehr mit den Inseln.

Hier gelten zwei Besonderheiten, die ganz ähnlich schon aus dem französischen Recht bekannt sind: Zum einen die Aufrechterhaltung von Notdiensten, zum anderen die Verpflichtung zur Vorankündigung eines Streiks mit der Angabe, wie lange er dauern wird (Art. 2 I). Den Umfang der Notdienstarbeiten zu bestimmen ist zunächst Aufgabe der Sozialpartner, die hierzu Regelungen treffen können. Streitigkeiten über den Umfang haben sich bislang, soweit ersichtlich, jedenfalls für den Luftfahrtbereich noch nicht in Rechtsprechung niedergeschlagen. Für den Fährverkehr aber bestimmt das Gesetz selbst in Art. 3, dass die Notdienste den Personenverkehr, die Versorgung mit notwendigen Gütern sowie die Aufrechterhaltung der übrigen wesentlichen Dienste auf den Inseln sicherstellen müssen. Für die Vorankündigung des Streiks sieht das Gesetz eine Frist von mindestens 10 Tagen vor, wobei Vereinbarungen der Sozialpartner oder auch Übereinkünfte auf Unternehmensebene zwischen Arbeitgeber und Betriebsvertretung eine längere Frist vorsehen können (Art. 2 V).
Mit der Vorankündigung muss eine Angabe über die Dauer der Arbeitseinstellung verbunden sein, wobei wiederum eine Konkretisierung dieser Pflicht durch Übereinkunft zwischen Arbeitgeber-und Arbeitnehmerseite möglich ist (Art. 2 I).